Das Weiß des Monitors

Das Weiß des Monitors

Es juckt mich. Ich will loslegen. Mein Roman ist fertig – im Kopf ist er fertig. Es braucht nur den ersten Satz, die erste Zeile, die ersten paar Worte. Ich starre den Monitor an, tippe ein paar Wörter ein und haue entnervt auf die DEL-Taste. Alles wieder weg. Immer noch starre ich den Monitor an, bis er plötzlich mich anstarrt. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. Ich weiß gerade nicht, wer das gesagt oder geschrieben hat. Ich will es auch gar nicht wissen, nicht jetzt, auf der Suche nach dem perfekten ersten Satz.

Das Weiß des Monitors lässt mich unweigerlich an einen amerikanischen Thriller denken. Verdammt, warum kann ich nicht an meinen Roman denken? Warum kann das Weiß des Monitors nicht das Licht am Ende des Tunnels sein? Warum nicht das Licht am Horizont? Heute Nacht noch hatte ich die erste Szene im Kopf, ganz real, irgendwie perfekt. Was war heute Nacht anders? Es war dunkel – jetzt der helle Monitor. Ist es das? Irritiert mich das Weiß des Monitors? Sollte ich die Farbe ändern? Blödsinn. Ich brauche doch nur einen Satz, danach geht es schon weiter.

Der Kellner gehörte nicht in das Café, er passte nicht hierher. Er war zu alt, sein Gesicht vernarbt.

Ich lese sie laut vor, meine ersten beiden Sätze. Ich finde sie gut, aber sind sie perfekt? Welches Café? Wo befindet es sich? Liegt es in Strandnähe? Liegt es gegenüber einer Bank? Muss ich diese Information dem Leser vorher mitgeben? Sollte ich die Geschichte wirklich im Café beginnen lassen?

Café! Das ist das Stichwort. Ich mache mir erst einmal einen kräftigen Kaffee. Ein Kaffee bringt die Gehirnzellen auf Vordermann. Lasse ich die beiden Sätze vorerst stehen? Sollte ich sie löschen oder sollte ich sie mir mit dem Kaffee in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen? Mein Finger schwebt nahe über der DEL-Taste, sehr nahe.

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