Münster 1570

Wenn man einen Roman mit historischem Hintergrund und möglichst vielen tatsächlichen Begebenheiten schreiben möchte (Come on, Zeitreisender), kommt man um intensive Recherchearbeit nicht herum. Auch wenn sich vieles davon nicht im Roman wiederfindet, so ist die Arbeit dennoch notwendig. Hier habe ich ein kleines Überbleibsel meiner Recherche aufbereitet. Viel Spaß damit. Vor allem Münsteraner dürften erfreut sein, etwas geschichtlichen Hintergrund in Szene gesetzt zu bekommen.

Rundflug über Münster ca. 1570:


 

Leider, leider gab es früher keine Kameras. Aber es gab talentierte Maler, die uns mit ihren Bildern ein Stückchen historische Wirklichkeit übermitteln konnten. Einer von ihnen war der Münsteraner Hermann tom Ring. Er lebte im Stadtteil Überwasser auf der Honekamp-Straße – heute Krummer Timpen. Hermann tom Ring malte das obige Bild „Westvaliae Metropolis Monasterium“ im Spätsommer 1569 auf eine Leinwand. Es ist tatsächlich eine Augenweide. Der Kupferstecher Remigius Hogenberg fertigte auf Grundlage des Bildes einen Kupferstich und einige Nachdrucke an. Geld verdiente der Maler mit seinem Bild nicht. Ganz anders dagegen Remigius Hogenberg, der dem Rat der Stadt Münster eine gedruckte Ansicht des Bildes überreichte.

Was das Bild neben seiner Einzigartigkeit so wertvoll macht, ist eine historische Arbeit von Hermann von Kerssenbrock, der die Detailtreue der Stadtbefestigung zu entnehmen war. Er war langjähriger Rektor des Gymnasium Paulinum in Münster. Im Jahre 1573 schrieb er über das Täuferreich von Münster – zum Teil aus eigener Anschauung und auf der Grundlage von Berichten anderer Zeitzeugen. Hierin schildert er auch die Sitten und Zustände in Münster gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Vor allem seine allzu detaillierte Beschreibung der Stadtbefestigung Münsters führte zum Zerwürfnis mit verschiedenen Autoritäten, woraufhin er die Stadt verlassen musste. Man warf ihm vor, in seinem Buch geheime Festungsanlagen beschrieben zu haben. Gerade dieser Aspekt aber macht tom Rings Bild so wertvoll. Die Stadtmauer und die Befestigungsanlagen sind sehr detailreich und trotz des malerischen Aspektes darf man die Befestigungsanlage quasi als fotografisches Überbleibsel von damals betrachten. Kerssenbrock und tom Ring kannten sich und sie wussten einander von ihren Arbeiten.

Hermann tom Ring war nicht nur ein begnadeter Maler, sondern verfügte auch über Kenntnisse in Symmetrie und Architektur. Er war ebenfalls als Kartograf und Geometer tätig. Alle diese Kenntnisse spiegeln die Einzigartigkeit des Bildes wider.

Eine reale Perspektive auf die Stadt hätte wohl nur ein paar wenige Dächer erkennen lassen. Also wählte tom Ring einen künstlich stark erhöhten Standort für sein Werk. Seine Kenntnisse über die Gebäude ließen ihn nicht nur zeichnen, was er sah, sondern ebenfalls das erfassen, was er wusste. Es ist ihm gelungen, die Bauwerke der Stadt lagerichtig nebeneinander anzuordnen, auch wenn ihre im Bild wiedergegebenen Standorte nicht der exakten Realität entsprachen.

Das Bild erfasst primär die westlichen Teile des Kirchspiels Überwasser und St. Aegidii. Der Rest der Stadt muss sich mit der Wiedergabe in Form einer Art Skyline begnügen. Die damals bei der gewählten Perspektive real sichtbare Anzahl der Häuser belief sich wohl auf ca. 800. Um die Einzelobjekte entsprechend deutlich darstellen zu können, beschränkte tom Ring sich auf ca. 150 Gebäude. Alleine diese Tatsache lässt erkennen, dass es dem Maler nicht um die originalgetreue Wiedergabe der optischen Realität ging. Vielmehr hielt er fest, was ihm wichtig war. Es gelang ihm so beispielsweise, die wechselnde Vielfalt der Giebelformen zu erfassen, die Münsters Stadtbild prägten.

Tatsächlich jedoch sind wohl nur drei Komplexe als ungefähr reale Wiedergabe im Bild dargestellt:

  • Der Platz auf dem Bispinghof: Der Platz hinter dem Neuwerk gelegen ist auf dem Bild gut zu erkennen.
  • Die Georgskommende: Die Südseite des Bispinghof-Platzes grenzt an die Kommende St. Georg. Das Haupthaus der Kommende, genauer gesagt dessen Südseite, die auf Pfählen dicht an der Aa steht, ist auf dem Bild wiedergegeben. Eine auffällig überdachte Brücke über die Aa führte zu dem Garten am rechten Aa-Ufer.
  • Das Fraterherrenhaus: Das Fraterhaus oder Fraterherrenhaus in Münster war eine Niederlassung der Brüder vom gemeinsamen Leben. Weiter links vom Bispinghof lag dieser im Bild deutlich dargestellte Häuserkomplex. Der Komplex umfasst die Kirche, das hohe Haupthaus und mehrere Nebengebäude.
Der Platz auf dem Bispinghof:
Münster 1570: Der Platz vor dem Bispinghof
Die Georgskommende:
Münster 1570: Georgskommende
Das Fraterherrenhaus:
Münster 1570: Fraterherrenhaus

 

Zwei weitere, erwähnenswerte Objekte:

  • Haus Langermann: Ein hansisches Kaufmannsgeschlecht aus Münster. Die Familie Langermann hat im 16. Jahrhundert in Münster eine bedeutende Rolle gespielt.
  • Mariental-Niesing: Kloster Niesing, offiziell auch Kloster Mariental genannt, war ein 1444 gegründetes Frauenkloster in Münster. Dieses folgte der Augustinusregel. Die Einrichtung bestand bis zur Säkularisation im Jahr 1810. Nicht zu verwechseln ist dieses Kloster mit der späteren Niederlassung eines Frauenordens mit Namen Marienthal auf dem Gelände der heutigen LWL-Klinik Münster.

Grundsätzlich hat der Maler tom Ring in seinem Bild alles hervorgehoben, was ihm für die von ihm gewählte Stadtansicht wichtig war. Dass die Ansicht den Überwasserbereich erfasst, seinen Wohnort, ist sicherlich kein Zufall. Achtzehn Kirchen hielt er fest. Lediglich zwei Kirchen, die bei dieser süd-westlichen Ansicht aufgrund ihrer Lage einfach nicht darstellbar waren, fehlen hier – St. Mauritz und St. Servatii. Hätten Sie es bemerkt?

So. Wer jetzt noch einmal einen historischen Rundflug chartern möchte, nur zu. Jeder ist eingeladen, das historische Münstervideo zu teilen, zu liken, zu kopieren, zu kommentieren, … Verteilen Sie es, wo Sie können. Es gehört jetzt der Welt.

Gern geschehen.

Rudolf Hinterding

Quellen:
– Wikipedia
– Das Buch: MÜNSTER 1570 (Der Kupferstich des Remigius Hogenberg nach einer Zeichnung des Hermann tom Ring erläutert von Karl-Heinz Kirchhof und Paul Pieper)

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Wo befindet sich der wirkliche Schatz?

In der Schatztruhe oder in dem Buch?

Schatztruhe mit BuchDer Inhalt der Schatztruhe?
Gold, Silber, Schmuck … Wer weiß das schon?

Der Inhalt des Buches:
MÜNSTER IM SIEBENJÄHRIGEN KRIEGE
von Dr. Aegidius Huppertz

Herr Dr. Aegidius Huppertz hat im Jahre 1908 seine Doktorarbeit abgeliefert, die heutzutage vermutlich ihresgleichen sucht. Er hat Archive, alte Zeitungen und Berichte durchforstet und alles zusammengetragen, was mit Münster und dem Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) zu tun hat. Das komplexe Werk hat ungefähr DIN A4-Format, umfasst ca. 500 Seiten und enthält interessante Abbildungen.

Dank seiner Arbeit kann man auch heute noch ermessen, wie es sich damals gelebt haben muss. Zeitungsartikel, Briefe und andere historische Schriftstücke lassen für uns die damalige Zeit wieder lebendig werden. Alles ist so real, dass selbst das tatsächliche Wetter von früher miterlebt werden kann. Einem Jahrtausend-Sommer extremer Hitze folgte im nächsten Jahr ein Jahrtausend-Sommer mit extremer Nässe. Die Leute hatten wahrlich kein leichtes Leben damals.

Münster hat jedoch nie eine Schlacht erlebt. Die Stadt musste stattdessen lange Überwinterungen Tausender Soldaten über sich ergehen lassen. Mal waren es die Franzosen, mal die Hannoveraner mit ihren Verbündeten, die sich allesamt von den Münsteranern verpflegen und verköstigen ließen. Für diese Fouragelieferungen, wie man es damals nannte, zahlte man den Bürgern natürlich nichts. Jedes Haus hatte ca. 12 Soldaten Quartier zu gewähren und zu verpflegen. Die Hannoveraner verhielten sich weitaus brutaler und aggressiver als die Franzosen. Die Bevölkerung war den Franzosen daher eher zugetan, auch weil sie ihnen zumindest im Glauben nahe standen. Das alles berichtet die Doktorarbeit des Dr. Huppertz.

Die wochenlange Bombardierung von Münster, die ohne Pause Tag und Nacht andauerte, läutete zumindest für Münster das Kriegsende ein. Das Martiniviertel fiel komplett den Flammen zum Opfer. Das war die Schlacht, die Münster zu erleiden hatte. Die Doktorarbeit von Herrn Dr. Huppertz macht diese Zeit wieder lebendig.

Doch das war beileibe nicht alles, was die Münsteraner über sich ergehen lassen mussten. Der Adel lief zu dieser Zeit gerade zu seiner letzten Hochblütezeit auf. Das Buch stellt nicht ganz klar, ob es während der Kriegsjahre und der ärmlichen Zeit danach eventuell doch ein oder zwei Tage gab, an denen der Adel nicht gefeiert hat. Ansonsten steht fest: Der Adel feierte Feste ohne Ende; er feierte, feierte, feierte, …

Das Buch ist eine wahre Fundgrube an Tatsachenbeschreibungen. Der Erbdrostenhof war war damals gerade neu erbaut worden, das Gold glänzte noch so herrlich… Jetzt weiß ich auch endlich, weshalb es eines solchen Prunksaales in seinem Innern bedurfte. Der Erbdrostenhof diente den Adligen als Übernachtungsquatier und war eines der Zentren, was ihre täglichen Feiern anging. Die Wachen vor den Toren ließen den Adel unter sich bleiben – der Krieg war für sie nicht mehr als ein interessantes Gesprächsthema.

„Adel verpflichtet“, sagte man damals. Mir ist jetzt klar geworden, wo der Spruch seine Wurzeln hat und was er bedeutet. Es soll Leute geben, die glauben, dass sich der Adel grundlegend geändert hat … ach nein, das steht nicht in dem Buch.

Wen wundert es, dass es überall und besonders in Münster zum Widerstand kam. Geheime Gärung nannte diese Gruppe sich selbst. Sie setzte sich aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten zusammen, was an sich schon bemerkenswert ist. Mich hat besonders erstaunt, dass es der Gruppe primär darum ging, Zeichen gegen die Selbstherrlichkeit und den Machtmissbrauch des Adels zu setzen. Als würde der Krieg und die damit einhergehende schlechte Zeit nicht Grund genug für einen Widerstand liefern. Das erklärt natürlich umso mehr, dass die Adelsschicht nicht der geheimen Gärung angehörte. Die Widerstandsbewegung verstand es, den Adelsleuten Angst zu machen. So ließ die Obrigkeit beispielsweise sämtliche Häuser in Münster nach Waffen durchsuchen.

Münster wies damals eine Besonderheit auf. Der Kurfürst von Cöln, Fürstbischof von Münster (damals Herzog Clemens August von Bayern), unterhielt ein eigenes Militär. Diese Miliz war jedoch in Münster stationiert. Münster hatte die Verpflichtung, dieses Militär auf der Stärke von 2.000 Mann zu halten.

Dem Münsterischen Militär jedoch war das Kriegsgeschehen seit Jahren unbekannt. Militärischer Kasernenhofdrill und Langeweile prägten den Alltag dieser Soldaten. Trotz seiner numerischen Stärke war somit das Münsterische Militär nurmehr die äußere Staffage fürstlicher Macht geworden. Die Adeligen bedienten sich des Militärs als persönliche Polizei nach Belieben. Die Leistungen des Militärs erschöpften sich darüber hinaus tatsächlich darin, in der Residenzstadt Münster und dem näheren Umfeld als getreue, achtsame Polizeitruppe an Türmen, Gefängnissen und Stadttoren auf Wache zu ziehen.

Was das Verhältnis der Miliz zur Bürgerschaft angeht, so kann wohl nicht behauptet werden, dass die Soldaten bei den Münsteranern sehr beliebt gewesen sind. Das Offizierskorps, das zur größeren Hälfte dem Adel angehörte, stand den Bürgerkreisen durchaus fern. Die Soldaten wurden durch Sold angeworben und bestanden in großer Anzahl aus Ausländern, dazu in vielen Fällen mit Frau und Kind. Sie sahen in dem Militärdienst lediglich ihren Broterwerb, dem sie bei seiner Unzulänglichkeit durch kleine Fouragierungen in den Gärten der Bürger und Bauern aus eigener Machtvollkommenheit nachzuhelfen pflegten – wie man es bei Dr. Huppertz nachlesen kann. So kam es, dass diese wenig disziplinierte Miliz in ihrer bunten Zusammenwürfelung geradezu als gemeingefährliches Diebesgesindel galt.

Ach, das Buch liefert so viele Begebenheiten. Am Leben der Münsteraner Bürger im Siebenjährigen Krieg so detailreich und mit so vielen tatsächlichen Vorkommnissen teilhaben zu können, das ist der Schatz, den das Buch für uns Nachkommen bereithält. Mich hat das Leben und Wirken der geheimen Gärung dazu inspiriert, einen Roman darüber zu schreiben. Ihr Mut sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Schnell war mir klar, dass meine Geschichte mit der Bombardierung von Münster enden musste. Ich wollte meinem Roman jedoch eine verloren gegangene Botschaft beifügen. Nämlich die Botschaft, die uns Dr. Aegidius Huppertz in seiner Arbeit hinterlassen hat. Seine Arbeit hatte den Siebenjährigen Krieg in Münster als primäres Thema aber auch, wie es sich damals in Münster lebte. Zeitgleich mit dem Krieg ging die letzte Blütezeit des Adels einher, besser gesagt seine letzte Hochblütezeit. Wie der Adel die normalen Menschen behandelte, für wie selbstverständlich sich die Adeligen als Übermenschen sahen, all das kann man der Doktorarbeit ebenfalls entnehmen.

In meinem Roman habe ich deshalb einen Bogen von heute zum Siebenjähriegen Krieg gespannt. Der Bogen wird mit Hilfe von Zeitreisen realisiert. Ich hoffe, es ist ein interessanter Roman geworden. Auf jeden Fall enthält er so viele tatsächliche Begebenheiten, dass selbst das damalige Wetter der Realität entspricht. Ich gebe es allerdings zu, die in dem Buch erwähnten Zeitreisen sind nicht verbrieft. Aber wer weiß das schon …

Ich habe die Schatztruhe liegen gelassen und die Doktorarbeit des Dr. Aegidius Huppertz gewählt. Sie ist ein weitaus größerer Schatz, zumindest für mich als Autor.

Cover: Come on, Zeitreisender

Mit meinem Roman – Come on, Zeitreisender – lasse ich Sie daran teilhaben.

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