Quo vadis Kromfohrländer?

Goodbye Kromfohrländer, hello ProKromfohrländer

Wann ist ein Hund ein Mischling oder ein Rassehund? Muss man für die Zucht eines Rassehundes unflexibel sein wie ein Backstein? Wann darf man welche Merkmale einzüchten, wann muss man es und wann sollte man es? Egal, welche Rasse man bei diesem Thema betrachtet, Diskussionen hierzu ähneln stets einem rhetorischen Schlagabtausch. Hier geraten Vertreter von streng konservativen Positionen mit auf die Zukunft setzenden Hoffnungsträgern aneinander, die Änderungen bei der Zucht für unausweichlich halten. Gemeint ist hier die Hoffnung, der Rasse Gutes zu tun, ihr zu mehr Gesundheit zu verhelfen, genetische Krankheiten zu verringern und den Inzuchtkoeffizienten zu minimieren. Allerdings: Keine der beiden Gruppen hat etwas anderes im Sinn als die Liebe zum Hund, die sie in ihren Zielen alle vereint. Uneinigkeit besteht nur in der Wahl des richtigen Weges zu diesem Ziel.

Grundsätzlich gilt, dass das Auftreten genetisch bedingter Krankheiten einer Rasse bei großer genetischer Vielfalt (Diversität) dieser Rasse deutlich verringert ist, wenn man den Vergleich zu einer Rasse mit geringerer Diversität bemüht. Letztlich läuft also eine Verminderung genetisch bedingter Erkrankungen immer darauf hinaus, die genetische Vielfalt zu erhöhen.

Wie erreicht man aber eine größere genetische Vielfalt? Letztlich nur durch das Einbringen neuer Gene in die Zucht, sprich durch das Einkreuzen einer anderen Rasse. Es sollte dann aber eine Rasse sein, die von Haus aus ein großes Potenzial an Diversität mitbringt. Hierzu möchte ich den Kromfohrländer betrachten. Der Kromfohrländer gehört zur sogenannten Founderrasse. Im Gegensatz zu Kreuzungsrassen entstehen Founderrassen nur aus ganz wenigen Hunden. Deshalb besitzt die Folgepopulation auch nur das Potenzial an genetischer Vielfalt, das die Gründertiere mitgebracht haben.

Am Beispiel des Kromfohrländers, einem beliebten Familienhund, zeigt sich deutlich und stellvertretend für andere Hunderassen die mit der genetischen Vielfalt einhergehende Dramatik. Weil nichts zu machen keine Lösung ist, haben sich viele Züchter und Interessierte zusammengetan und einen eigenen Verein, den ProKromfohrländer e.V., gegründet. Das Pro steht dabei für ein Projekt mit der Zielsetzung, die genetische Vielfalt zu erhöhen und dabei gleichzeitig die Rasse zu erhalten. Das ist nämlich genau die Crux bei einem solchen Projekt. Das Einkreuzen einer fremden Rasse erzeugt klassische Mischlinge, wie jeder weiß. Hier sehen konservative Vertreter keinen Spielraum für die Zucht, während andere wiederum genau das als den einzig richtigen Weg ausgemacht haben. Hintergrund: Der Inzuchtkoeffizient beim Kromfohrländer liegt bei durchschnittlich 53% mit unaufhaltbarem weiteren Anstieg. Die ganze Dramatik wird einem bewusst, wenn man sich Folgendes vor Augen führt: Schon ein Inzuchtkoeffizient von 26% bedeutet, dass der Inzuchtpegel derart hoch ist, dass alle Kromfohrländer noch enger miteinander verwandt sind als Vollgeschwister!

Was bedeutet ein hoher Inzuchtkoeffizient? Er steht gleichbedeutend für eine hohe Reinerbigkeit der Nachkommen. Da die meisten Erbkrankheiten rezessiv vererbt werden, führt eine Zunahme des Inzuchtkoeffizienten zu einem häufigeren Auftreten von Erbkrankheiten.

Kleiner Exkurs für interessierte Leser:
Rezessiv bedeutet in der Genetik „zurücktretend“ oder auch „nicht in Erscheinung tretend“. In der Genetik unterscheidet man zwischen dominanten und rezessiven Allelen eines Gens. Ein dominantes Allel setzt sich in der Merkmalsausprägung gegenüber einem rezessiven Allel durch. Damit ein rezessives Allel merkmalsbestimmend werden kann, muss es homozygot vorliegen oder zusammen mit einem anderen rezessiven Allel auftreten. Rezessive Erbeigenschaften können durch homozygote Individuen weitervererbt werden.
Ein diploider Organismus besitzt von jedem Gen, das z.B. die Blutgruppe oder Haarfarbe kodiert, zwei Kopien, in der Regel eine von jedem Elternteil. Unterschiedliche Varianten eines Gens werden als Allele bezeichnet. Wenn beide Allele eines Individuums für ein bestimmtes Merkmal gleich sind, ist das Erbgut, bezogen auf dieses Merkmal, reinerbig oder homozygot.

Um es vereinfacht auszudrücken:

  • In der Genetik meint rezessiv die Eigenschaft eines Allels, in der Ausprägung gegenüber dem anderen Allel (dominantes Allel) zurückzutreten. Das dominante Allel setzt sich durch, das rezessive Allel tritt zurück.
  • Sind beide Allele eines Gens rezessiv, so manifestiert sich das rezessive Allel und kommt zum Tragen.

Da die meisten Erbkrankheiten rezessiv vererbt werden, bedeutet das:
Der süße Kromi hat vielleicht zeitlebens keine erkennbar zu Tage getretenen Erbkrankheiten gezeigt. Aber auch bei diesem Kromi ist sehr wahrscheinlich (Stichwort hoher Inzuchtkoeffizient) die Eigenschaft dafür als rezessives Allel vorhanden. Es nützt also der Wahrheit nicht, wenn behauptet wird, dieser Kromi ist gesund, der hat mit genetisch bedingten Erbkrankheiten nichts am Hut. Eine Verpaarung eines Kromis mit einem anderen Kromi, bedeutet letztlich – dem Durchschnitt geschuldet – eine Verpaarung zweier Kromis mit einem Inzuchtkoeffizienten von je über 50 %. Die süßen kleinen Kromiwelpen, die dadurch in die Welt gesetzt werden, tragen diese rezessiven Allele ebenfalls in sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich manifestiert als Krankheit niederschlagen, steigt von Mal zu Mal.

Die äußerst geringe Population der Kromfohrländer ist dabei das Hauptproblem. Waren es 1999 ca. 2.000 Kromfohrländer, die man in Deutschland zählte, sind es heute vielleicht 3.000, was immer noch unbedeutend wenig ist. Jedenfalls viel, viel, viel zu wenig, um den Inzuchtkoeffizienten und die damit einhergehenden genetisch bedingten Erbkrankheiten zu verringern. Sicherlich vermag der eine oder andere Kromfohrländer dem Durchschnitt ein Schnäppchen zu schlagen und damit dem Schicksal der schrecklichen Erbkrankheiten zu entkommen. Es ist aber der Begriff Durchschnitt, der jedem normalen Menschen klarmacht, dass die Rasse Kromfohrländer sich dem genetisch vorprogrammierten Schicksal der Erbkrankheiten unmöglich entziehen kann.

Um es einleuchtender zu machen: Übersetzt man in diesem Artikel den Terminus „der Kromfohrländer“ mit „mein Kromfohrländer“, dann wird einem das Thema sicher nicht mehr so abstrakt erscheinen.

Beispiele für die genetisch- und inzuchtbedingten Krankheiten sind u.a. Epilepsie, Autoimmunerkrankungen, digitale Hyperkeratose, Gelenkerkrankungen, Katarakt, Schilddrüsen- und Herzerkrankungen und Cystinurie, um nur einige zu nennen. Die Züchter haben immer mehr Schwierigkeiten, gesundheitlich verantwortbare Deckrüden für die Verpaarungen zu finden. Die einzig logische Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis ist die: Nichts zu machen ist keine Lösung. Die Hoffnung, dass die Verpaarung zweier Kromfohrländer mit je ca. 50 % Inzuchtkoeffizienten zu einer Verringerung des Inzuchtkoeffizienten führt, gleicht dem Wunsch nach Reichtum beim Zusammenführen zweier sich im Minus befindenden Bankkonten. Deshalb war das Einkreuzprojekt ein vernünftiger Schritt. Es ist ein Projekt, keine wissenschaftliche Ideallösung, weshalb das Monitoring und die Verfolgung der Ziele dauerhaft und unverzichtbar zum Projekt dazu gehören. ProKromfohrländer e.V. hat als Zuchtziel robuste und wesensfeste Kromfohrländer. Wie aber kann man mit dem Einkreuzen einer fremden Rasse die Ziele

  • die genetische Vielfalt zu erhöhen und
  • gleichzeitig die Kromfohrländer-Rasse zu erhalten

erreichen?

Zum einen, indem man zum Einkreuzen eine möglichst passende Fremdrasse auswählt. Der ProKromfohrländer e.V. hat sich hier zunächst für den Dansk-Svensk Gardhund, auch liebevoll Danski genannt, entschieden.

Der Dansk-Svensk Gardhund

 
Zum anderen, indem man die Verpaarung (F0-Generation) eines reinrassigen Kromfohrländers mit einem Danski nur ein Mal vornimmt.
Für die Verpaarungen mit den Nachkommen (F1-Generation) werden jeweils wieder reinrassige Kromfohrländer herangezogen. Diese Vorgehensweise wird bis zur 4. Generation der Nachkommen (F4-Generation) beibehalten. Man erhält also:

F1: 50-prozentige Kromfohrländer
F2: 75-prozentige Kromfohrländer
F3: 87,5-prozentige Kromfohrländer
F4: 93,75-prozentige Kromfohrländer

Die weiteren Nachkommen (F5-Generation und weitere) werden wieder als reinrassige Kromfohrländer bezeichnet.

Das Projekt der ProKromfohrländer kann mittlerweile voller Stolz die F3-Generation vorweisen und läuft bisher sehr erfolgreich, sodass man hoffnungsvoll optimistisch sein darf.

  • Die genetischen Untersuchungen weisen von Generation zu Generation eine in Bezug auf den F0-Kromfohrländer erhöhte genetische Vielfalt auf.
  • Die optischen Merkmale, mindestens ab der F2- Generation, weisen keine erkennbaren Unterschiede zu einem reinrassigen Kromfohrländer mehr auf. Dasselbe gilt für die Verhaltensmerkmale.
Wer ist der ProKromfohrländer?

Es mag sein, dass bei der F1-Generation der optische Einfluss des Danskis noch zu spüren ist. Aber auch diese Hunde kommen den optischen Merkmalen und dem Wesen des Kromfohrländers sehr nahe. Es handelt sich hierbei um überaus beliebte, gesunde und vor allem auch zuchttaugliche Hunde.

Der ProKromfohrländer e.V. hat mit seinem Projekt bereits jetzt in der dritten Generation einen gewaltigen Fortschritt beim Erhalt der Rasse und bei der Erhöhung der genetischen Vielfalt erreicht. Wo sich der Durchschnittswert der genetischen Vielfalt bei den F5-Generationen im Verhältnis zur F0-Generation einpendeln wird, bleibt abzuwarten. Es kann sein, dass eine wiederholende Einkreuzung erforderlich wird. Das wird das Projekt nach Auswertung einer größeren Anzahl F5-Generationen ergeben. Es mag sogar sein, dass man von dem Schema abweichen muss und eine weitere oder frühere Einkreuzung vornehmen sollte. Das alles wird die Zukunft zeigen. Aber es wird dies der Weg sein, den die Rasse Kromfohrländer gehen muss, sollten der Inzuchtkoeffizient und die genetischen Erbkrankheiten dieser Rasse nicht verringert werden – quo vadis Kromfohrländer. Es wird ein langer Weg, denn Züchten heißt in Generationen zu denken.

Der letzte Schritt, die Bestätigung der mit der Erhöhung der genetischen Vielfalt einhergehenden Verringerung der genetischen Krankheiten, bleibt als langfristiges Endziel der Statistik vorbehalten. Dazu sind die Lebenswege der Hunde bis zu ihrem Ableben zu verfolgen. Ein langwieriger Weg, aber ein Weg, den jeder Hundeliebhaber gerne geht, der die traurigen Krankheiten kennt, die die Genetik bei hohem Inzuchtkoeffizienten aufbieten kann. Es bleibt außerdem der einzige Weg, solange niemand einen besseren Weg aufzeigen kann.

Und noch einmal soll hier die Logik bemüht werden: Nichts zu machen ist keine Lösung!

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