Bei den Recherchen zu meinem Zeitreise-Roman habe ich den niederländischen Maler Isaac van Ostade (1621 – 1649) kennengelernt. Seine Bilder stellen Schlachten und das Leben auf dem Land dar. Nach 1640 zeigen seine Bilder das bäuerliche Leben auf den Straßen und Wirtshausszenen. Solche Motive waren damals bei den Städtern beliebt. Sie fühlten sich den vermeintlich tumben Bauern überlegen und machten sich über ihre lebensfrohe und mitunter naive Art lustig.
Mich beschäftigt seit einiger Zeit das folgende Bild des Malers Isaac van Ostades. Auch hier wird eine Straßenszene dargestellt. Nun gut, der Maler mag seine Fantasie hier und da eingebracht haben, wer weiß das schon? Dieses Bild weist jedoch eine Besonderheit auf, die man ihm nicht sofort ansieht. Das Besondere liegt nämlich jeweils im Auge des Betrachters. Man stellt es erst fest, wenn man einmal mehrere Personen zu dem Bild befragt.
Prinzipalmarkt Münster ca. 1640-1649 vom Maler Isaac van Ostade
- Viele haben sich zuerst die vorderen Gebäude angesehen und eine Ähnlichkeit mit dem Münster von heute entdeckt, wohl wegen der Bogengänge und der Dach-/Giebelform. Aber sie haben auch versucht, die Gemäuer näher zu betrachten – Steinbau damals und heute.
- Andere haben fast sofort die Gebäude im hinteren Bereich des Bildes angeschaut. Deren Stil weicht von dem der vorderen Gebäude ab: Sie sind heller und/oder haben eine andere Bauform. Man möchte zu gerne tiefer in das Bild hineinzoomen.
- Eine weitere Gruppe bleibt konstant bei dem Mann im Vordergrund hängen und fragt sich, was genau er dort macht.
- Wieder andere betrachten die Kirche. Viele kennen die frühere Bauform der St. Lambertikirche ja gar nicht, sodass ein Wiedererkennungseffekt fehlt.
Jetzt werde ich natürlich auch sagen, was mich an dem Bild beschäftigt hat, als ich es näher betrachtet habe. Ich bin mit meinen Beobachtungen nicht alleine, viele sehen das Bild mit ähnlichen Augen.
Mir ist der Markt aufgefallen mit vielen Leuten, einfachen Leuten. Menschen, die sich nicht scheuen, sich auf den Boden in den Schmutz zu setzen. Mensch und Tier sind dicht beieinander. Ich frage mich unweigerlich, von woher sie die Waren transportiert haben. Mussten sie einen weiten Weg auf sich nehmen? Das Bild blieb bei mir im Kopf hängen, sodass ich noch oft darüber nachgedacht habe, wie diese Leute wohl gelebt haben. Das Obst und Gemüse, Getreide usw. mussten ja erst einmal auf einem Feld wachsen. Die Saat musste ausgebracht werden, die Ernte eingeholt werden, die Menschen mussten da draußen irgendwie wohnen. Doch wie mögen sie gelebt haben? Beschäftigte Leute habe ich gesehen. Niemand auf dem Bild hat Langeweile, alle sind fleißig. Es sind Leute, die tun, was sie tun müssen. Einfache Menschen, die ihr Leben leben.
Natürlich habe ich auch andere Bilder zu Rate gezogen. In meinem Roman (Come on, Zeitreisender) geht es ja auch um den Adel während der letzten Blütezeit dieser Gesellschaftsschicht. Losgelöst von Klischees wollte ich mir mein eigenes Bild machen, wie diese Leute gelebt haben. Gefunden habe ich durchweg Bilder der folgenden Art:
Lebte man tatsächlich so? Oder wollte man nur nach außen so wahrgenommen werden?
Schon jemanden bei der Arbeit entdeckt?
Das Ergebnis: Diese Menschen haben anders gelebt, anders als der normale Bürger. Das folgende Bild von Isaac van Ostade aus dem Jahre 1641 zeigt deutlich, was ich meine.
Bauernhaus mit spielenden Kindern ca. 1641 vom Maler Isaac van Ostade
Was für mich als Autor wichtig ist, sind die Menschen und ihre Lebensumstände. Wie sie lebten und warum sie etwas getan haben. Alleine diese Bilder liefern genug Stoff für einen Roman. Allerdings nicht, wenn man sich nur auf die Gebäude beschränkt.