3.1 Was kann man unter Zeitreisen verstehen?

Unter Wikipedia lässt sich eine simple Definition des Begriffs Zeitreise nachlesen:

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Eine Zeitreise ist eine Bewegung in der Zeit, die vom gewöhnlichen Zeitablauf abweicht.

Bereits hier stellen sich dem interessierten Leser sofort zwei Fragen:

  • Welche Art von Bewegung ist gemeint?
  • Was ist ein gewöhnlicher Zeitablauf?

Da ich in diesem Buch nicht das physikalische Wie von Zeitreisen behandeln möchte, sondern rein theoretische Auswirkungen daraus, ist die Art der hier gemeinten Bewegung auch eher unterzuordnen. Ob diese Bewegung also extrem schnell, linear oder eben nicht linear, stetig oder nicht stetig erfolgt, soll deshalb nicht so sehr interessieren. Beim gewöhnlichen Zeitablauf sollte man einen linearen Zeitablauf, wie wir ihn jeden Tag erfahren, unterstellen dürfen.

Bemerkenswert interessant an dieser Definition ist aber das, was nicht im Definitionstext enthalten ist. Die Definition lässt nämlich offen, ob es sich bei dem Objekt, das die Zeitreise erlebt, um beispielsweise einen Menschen oder eine Sache handelt. Das lässt Spielraum für diverse Betrachtungsweisen.

Denken wir uns zum Beispiel einen linearen Zeitstrahl, wie wir ihn täglich erleben und ihn uns deshalb leicht vorstellen können.

Zeitreisenverlauf - Logik

Ein Zeitstrahl, der nach links in die Vergangenheit zeigt und nach rechts in die Zukunft. Irgendwo auf diesem Zeitstrahl gibt es den Punkt G, den wir als Gegenwart begreifen. Da die Zeit nicht stehen bleibt, wandert der Punkt G auf dem Zeitstrahl kontinuierlich in Richtung Zukunft. Nur für einen unendlich kurzen Moment ist er konstant an einer Stelle des Zeitstrahls. Eine gewisse Zeitspanne weiter muss derselbe Punkt G bereits als ein Punkt in der Vergangenheit V bezeichnet werden. Ein zum Zeitpunkt G zeitlich noch vor uns liegender Punkt Z wird von uns als ein Zeitpunkt in der Zukunft liegend interpretiert.

Obwohl wir alle mehr oder weniger dasselbe mit den Begriffen Vergangenheit und Zukunft verbinden, soll ein kleiner Blick ins Wikipedia hierzu nicht schaden. Dort erfahren wir:

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Vergangenheit:
Die Vergangenheit ist die Menge aller zeitlich zurückliegenden Ereignisse. Die Vergangenheit besteht dabei aus der Menge aller Ereignisse, die kausal mit dem als Gegenwart bezeichneten Ereignis verbunden sind, diese also beeinflussen konnten.

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Zukunft:
Die Zukunft ist die Zeit, die subjektiv gesehen der Gegenwart nachfolgt.

Diese rein physikalischen Definitionen bringen zum Glück keine überraschenden Neuigkeiten. Allerdings fällt auf, dass Ereignisse in der Vergangenheit per Definition kausal die Gegenwart beeinflussen konnten, was auch logisch zu unserer allgemeinen Erfahrung passt. Ein solcher Bezug zur Gegenwart fehlt jedoch bei der Definition des Zukunftsbegriffs. Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.

Aber bereits hier und jetzt muss die Frage gestellt werden, ob nicht gerade die Definition des Zukunftsbegriffs zu kurz geraten ist. Denn dass die Menge der Ereignisse aus der Vergangenheit die Gegenwart beeinflussen konnten, kann ja nur die Summe der Ereignisse während der zur Vergangenheit gewordenen Gegenwartszeitpunkte meinen, andernfalls wäre die Vergangenheit ja aktiv und irgendwie noch lebendig.

Aber ist es nicht völlig analog dazu mit der Zukunft? So einleuchtend es auch sein mag, dass die Zukunft ein unbeschriebenes Blatt ist, so klar ist es aber auch, dass die Zukunft durch die Summe der Ereignisse gebildet wird, die während der Gegenwartszeitpunkte passieren. Insofern hängt jeder Punkt Z in der Zukunft kausal von der Summe aller Gegenwartszeitpunkte ab, die bis zum Zukunftspunkt Z durchlaufen werden, beziehungsweise von dessen Ereignissen.

Ein paar kleine Beispiele:

  • Ein Ast treibt den Fluss entlang. Kennt man die Strömungsgeschwindigkeit, kann man sogar errechnen, wo der Ast in beispielsweise 5 Minuten sein wird. Man wird errechnen können, wo er in der (nahen) Zukunft sein wird.
  • Jemand pflanzt eine Eiche in seinem Garten. Man weiß es natürlich nicht genau, aber es darf angenommen werden, dass der Baum wohl zumindest die nächsten 50 Jahre dort sein wird.
  • Atomfässer, die in der Nordsee verklappt werden, werden irgendwann durchgerostet sein und die Zukunft beeinflussen.

Das alles sind Ereignisse, die in unserer Gegenwart stattfinden. Diese Ereignisse bilden nicht die Zukunft, aber sie beeinflussen sie. Das Ergebnis werden wir jedoch erst zu einem späteren Gegenwartszeitpunkt feststellen. Aber belassen wir es zunächst bei der Wikipedia-Definition der Zukunft.

Eine Eigenschaft des Zeitstrahls ist die Messbarkeit der Zeitdifferenz zwischen zwei Punkten auf dem Zeitstrahl. Allerdings gibt es keinen absoluten Punkt 0, von dem aus die Zeit wie bei einer mathematischen x-Achse linear voranschreitet. Ursächlich dafür ist die Zeitrechnung, wie wir sie bei uns eingeführt haben. Wir benennen den Zeitpunkt, als die Dinosaurier lebten, nicht mit Zeitpunkt x auf dem Zeitstrahl. Vielmehr wird dieser Zeitpunkt nur als indirekte Größe bezogen auf unsere heutige Zeit benannt. So sprechen wir von damals, vor x-Millionen Jahren, als die Dinosaurier lebten und nehmen unsere Zeitrechnung als Basis.

Der Zeitstrahl repräsentiert aber bei Weitem nicht nur die Zeit als lineare Erfahrungsgröße und teilt sie ein in Vergangenheit und Zukunft. Vielmehr wird auch die Vergangenheit als etwas nicht mehr Veränderbares erlebt, während die Zukunft für uns im Ergebnis vollkommen offen ist. Vollkommen offen meint aber nicht, dass uns die Zukunft unbekannt ist. Sie wird als noch nicht passiert betrachtet. Die Zukunft muss noch geschehen. Wäre dem nicht so, so könnte man sich dem Thema Schicksal und Vorbestimmung widmen, woran viele Leute ja auch glauben.

Bei der Wikipedia-Definition des Zukunftsbegriffs fällt auf, dass eine Kausalität zum zeitlichen Gegenwartsbezug gegeben ist. Genauso jedoch, wie die Menge aller Ereignisse in der Vergangenheit die Gegenwart beeinflussen konnte, beeinflusst die Summe aller Ereignisse zum Gegenwartszeitpunkt die Zukunft. Sie ist also nicht ein uns grundsätzlich unbekanntes Territorium, sie ist im Ergebnis immer abhängig vom Zeitpunkt G. Genauer gesagt von den Geschehnissen, die zum Zeitpunkt G ablaufen. Die Zukunft, wie wir sie begreifen, kann deshalb als eine Funktion Z = Z (G) definiert werden. Womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Zukunft von der Gegenwart G, genauer gesagt von der Summe der Geschehnisse in der Gegenwart abhängt. Ganz im Gegenteil dazu jedoch begreifen wir die Vergangenheit als V = konstant, als konstante, nicht veränderbare Begebenheiten, die eben nicht von den Geschehnissen zum Zeitpunkt G abhängen. So wird beispielsweise ein Haus in der Zukunft nicht plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen. Es wird aus einer Summe von Gegenwartsereignissen erschaffen.

Die Zukunft, wie wir sie täglich interpretieren, ist also zeitlich vor uns liegend. Mit den Begriffen Zukunft und Vergangenheit verbinden wir auch die Geschehnisse in der Zukunft sowie die Geschehnisse in der Vergangenheit. Das gilt es sorgsam auseinanderzuhalten. Ein solcher Zeitstrahl repräsentiert immer auch die Geschehnisse, die sich im Laufe der Zeit abspielen. Jeder Zeitstrahl ist dementsprechend immer auch die Summe der Geschehnisse aller menschlichen und sonstigen Aktivitäten. Falls Sie sich also zu einem Zeitpunkt G entscheiden, in den Urlaub zu fahren, werden dadurch gewisse Folgeereignisse ausgelöst (Auto packen, Flieger buchen, …), die sich beispielsweise auf dem Zeitstrahl 1 wieder finden können. Entscheiden Sie sich stattdessen dafür, doch lieber einen neuen Computer zu kaufen, soll dieses Ereignis mitsamt seinen Folgeereignissen auf dem Zeitstrahl 2 abgebildet werden. Eine andere Entscheidung kann zu einem ganz anderen Zeitstrahl führen.

Zeitreisenverlauf - Logik

Ein Vulkanausbruch mit all seinen Folgeereignissen würde sich aber auf jedem Zeitstrahl wiederfinden. Natürlich gibt es nicht mehrere existierende Zeitstrahlen nebeneinander. Die verschiedenen Zeitstrahlen sollen nur andeuten, dass je nachdem, welche Entscheidung zum Zeitpunkt G getroffen wird, der Zeitstrahl anders aussehen könnte. Wir reden hier also nicht über Ereignisse in Paralleluniversen oder sonst irgendwelche Fantasiekonstrukte. Lediglich die zeitliche Kontinuität, die Zeitpunkte und die Summe aller Geschehnisse sollen in diesem Buch durch einen Zeitstrahl abgebildet werden. Korrekterweise sollte man den so definierten Zeitstrahl deshalb auch eher Zeit- und Ereignisstrahl nennen. Schließlich läuft die Zeit bei allen so bezeichneten Zeitstrahlen bei der für uns erfahrenen Zeit mit konstanter Linearität ab. Lediglich die Geschehnisse oder auch Ereignisse machen den Zeitstrahl einmalig und damit voneinander unterscheidbar. Definieren wir deshalb:

Definition:
Ein Zeit-Ereignisstrahl TE ist ein Strahl, der

  • die linear voranschreitende Zeit und
  • die Summe aller wahrnehmenden Ereignisse abbildet.

Da man die Zeit im internationalen Kontext mit t wie time bezeichnet, soll der Zeit-Ereignisstrahl deshalb mit TE abgekürzt werden.

Zur Verdeutlichung zäumen wir das Pferd einmal von hinten auf. Nehmen wir an, Sie gehen spazieren. Dabei treten Sie, ohne dass Sie es bemerken, auf ein paar Ameisen. Die armen Krabbeltiere sind sofort tot. Ein wahrhaft trauriges Ereignis. Während des Sparziergangs bemerken Sie einen am Boden liegenden verunglückten Radfahrer. Sie leisten sofort Erste Hilfe, soweit Ihre Möglichkeiten es zulassen, und rufen per Handy den Rettungswagen zur Hilfe.

Das Bemerken des verunglückten Radfahrers und die daraus resultierenden Folgeereignisse prägen den Zeit-Ereignisstrahl TE. Während die armen toten Ameisen kein von uns wahrnehmbares Ereignis sind, das den TE-Strahl verändert. Anders wäre es sicherlich, wenn genau diese Ameisen die letzten Ameisen auf der Welt wären. Dann würde es zu einem Aussterben der Ameisen kommen, was sicherlich sogar mehrere wahrnehmbare Ereignisse zur Folge hätte.

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